Zum Tode von Frank Hörnigk (1944-2016)

Am 30. Januar 2016 starb plötzlich und unerwartet Frank Hörnigk. Ein Schock für alle, die ihn kannten. Es fällt schwer, einen standesgemäßen Nachruf zu schreiben, der alle Fakten bedenkt und all seine Verdienste würdigt, als Literaturwissenschaftler, als Dramaturg und Experte für Theatergeschichte wie für DDR-Literatur, als Kenner Büchners und Herausgeber der Werke Zweigs, als Hochschulprofessor und Gremienverantwortlicher, als Mitglied des PEN-Zentrums.

Und natürlich, dies ganz besonders, als Weggefährte und Kenner Heiner Müllers. Wo sollte man da beginnen? Bei der Herausgabe der Werkausgabe im Suhrkamp-Verlag und wichtigen Büchern wie Heiner Müller Material oder der beiden Kalkfell-Bände, bei der Mitbegründung der Internationalen Heiner-Müller-Gesellschaft, aus der er sich in den letzten Jahren zurückgezogen hatte, bei unzähligen Artikeln, Vorträgen und Seminaren, in denen er Generationen von Studierenden das Werk Müllers nahebrachte ...

So lernte ich ihn kennen, vor fast 20 Jahren, als Professor für Neuere deutsche Literatur an der Humboldt-Universität zu Berlin, mein Lieblingsprofessor und nicht nur meiner. Er lehrte uns die Literatur lieben und in ihrem Eigensinn respektieren, der germanistischen Neigung widerstehend, sie mit Phraseologie einzuhegen und alle Fragen durch vorschnelle Antworten zu ersetzen. In seinem wiederholten Seminar „Theatertexte als Spielanlässe“, in dem sich etliche junge Menschen trafen, die noch heute im Kontakt stehen, da ermunterte er uns, die Sprache zu erproben, zu erfahren, was es heißt, wenn Texte dem Theater Widerstand leisten (Müller). Eine unvergessene Erfahrung aus der Prä-Bachelor-Ära. Klingt es abgeschmackt, das Humboldt’sche Bildungsideal zu bemühen, wenn man feststellt, dass er Persönlichkeiten forderte und förderte, oft weit über das eigentliche Studium hinaus?

So habe ich ihn wahrgenommen, und über die Jahre hat sich unser Verhältnis langsam gewandelt, wurde er vom Mentor, dem ich viel zu verdanken habe, zum Gesprächspartner und Kollegen, ja zum Freund. Deshalb fällt es mir so schwer, einen Nachruf zu schreiben, der Fakten und Verdienst nennt, denn für mich war Frank vor allem all dies: ein begeisterter und begeisternder Lehrer, ein klarer Denker, dessen geschliffene Sprache man bewunderte, ein unverstellter und großherziger Mensch, der – und das ist kein Pathos, sondern Tatsache – das Leben Vieler, mich eingeschlossen, nachhaltig beeinflusst hat.
Er wird fehlen. Er fehlt.

Janine Ludwig
Im Namen der Internationalen Heiner-Müller-Gesellschaft

© Neues Deutschland[1]

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