Fristverlängerung / Call for Papers V-Effekte und andere Versuche die Wirklichkeit zu bewältigen: Gisela Elsner und Bertolt Brecht

Symposium am Freitag, den 15. September 2017 im Literaturforum im Brecht-Haus, Berlin

Am 2. Mai 2017 würde die Schriftstellerin Gisela Elsner ihren 80. Geburtstag feiern. Aus diesem Anlass wird die Internationale Gisela Elsner Gesellschaft e.V. verschiedene Veranstaltungen in verschiedenen Städten planen, in denen Elsner gelebt und gewirkt hat. Wie die DDR zuvor, so war das ehemalige Ostberlin nach der Wende einer der Sehnsuchtsorte Elsners. Doch nachdem sie im Juni 1990 tatsächlich von München in den Osten Berlins (genauer gesagt: nach Weißensee) gezogen war, musste die Autorin feststellen, dass die Nachwende-Realität wenig mit dem idealisierten Bild zu tun hatte, dass sie sich von der Stadt im Umbruch gemacht hatte. Ganze drei Tage hielt sie es in ihrem neuen Quartier aus, dann zog sie gebrochen und resigniert zurück nach München, wo sie sich am 13. Mai 1992 das Leben nahm.
Doch es gibt eine weitere Verbindung zu (Ost-)Berlin, und zwar die zu Bertolt Brecht. In Interviews betonte Elsner immer wieder, wie sehr sie die Lektüre der Texte Bertolt Brechts – neben denen Franz Kafkas und Heinrich Manns – geprägt hätten und dass sie sich als Autorin in der literarischen Tradition Kafkas und Brechts sehe. Die Kürzestgeschichten um Triboll, mit denen Elsner Mitte der 1950er Jahre ihre ersten eigenen literarischen Versuche vorlegte, erinnern nicht nur in ihrer Form an Brechts „Geschichten vom Herrn Keuner“. Aber die wohl wichtigste Gemeinsamkeit zwischen Brecht und Elsner betrifft die Rolle des Schriftstellers in der Gesellschaft, die beide für sich als eine politische und sozialkritische definierten. Mit einer Radiosendung, in der Gisela Elsner ihre Lieblingsgedichte vorstellen sollte, lieferte die Autorin im Dezember 1985 eine Hommage an Bertolt Brecht, indem sie diesen als Antagonisten gegen den von ihr despektierlich als „Dichter“ bezeichneten Rainer Maria Rilke stellte und die Sendung ausschließlich mit der Lesung und Kommentierung von Brecht- Gedichten bestritt. Im Juli 1984 hatte sie einen befreundeten Ostberliner Redakteur gebeten, ihr eine Ausgabe der Brecht-Briefe zuzuschicken.
Doch sind die literarischen und politischen Berührungspunkte zwischen Elsner und Brecht vielfältig. Auf der einen Seite lassen sich thematische Verbindungen feststellen: etwa in der Konzentration auf die Aufdeckung faschistischer Strukturen, in einer Politik- undWirtschaftskritik aus kommunistischer bzw. sozialistischer Perspektive sowie im Aufzeigen sozialer Missstände. Auf der anderen Seite bedient sich Elsner bestimmter Strategien der satirischen Verfremdung, die auf Brechts Definition des V-Effektes verweisen, indem sie das Alltägliche, Vertraute, Selbstverständliche als etwas Fremdes bzw. Befremdendes darstellt und somit eine Reflexion von bestimmten Verhaltensweisen und Routinen ermöglicht. Weniger bekannt dürfte die Tatsache sein, dass Elsner sich auch mit den Opernprojekten Bertolt Brechts und Kurt Weills auseinandergesetzt und sich auf diesem Gebiet auch selbst versucht hat: mit ihrer Oper „Friedenssaison“ (1988), aber auch mit Songtexten in dem Romanfragment „Die teuflische Komödie“ (Erstveröffentlichung aus dem Nachlass 2016).
Ziel des Symposiums soll es sein, verschiedene Berührungspunkte zwischen den Schreibweisen, Themen und Werken Gisela Elsners und Bertolt Brechts zu beleuchten. Da sich die Forschung in der Diskussion von Elsners Werken bisher im Wesentlichen auf Bezüge zu Gustave Flaubert, Franz Kafka, zum „nouveau roman“ oder zu Elfriede Jelinek konzentrierte, sind von diesem Symposium neue Impulse und Erkenntnisse für die Elsner- Forschung zu erwarten.
Bitte senden Sie Ihr Exposé (max. 1 DIN A4-Seite) und Kurzinfos zu Ihrer Person (bio- und bibliographische Angaben) bis zum 31. Oktober 2016 an: christine.kuenzel@uni- hamburg.de
Wir werden uns bemühen, Fördermittel einzuwerben, um mögliche Reise- und Übernachtungskosten zu erstatten.
PD Dr. Christine Künzel Erste Vorsitzende der Internationalen Gisela Elsner Gesellschaft e.V. www.giselaelsner.de

© Heidi Paris/Merve Verlag[1][3][4] Margit Broich[2]

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