HEINER MÜLLER. WERKSTATT ZEMENT

für Schauspiel- und Dramaturgiestudenten,Regisseure, Theaterwissenschaftler und Dramaturgen
aus Deutschland, Polen, Griechenland, den Niederlanden, Belgien, Bulgarien und Italien

Gefördert durch den Hauptstadtkulturfonds der Bundesrepublik Deutschland

2. bis 20. September 2001
Theaterhaus Mitte, Berlin

In Zusammenarbeit mit


HEINER MÜLLER: ZEMENT

Die Auseinandersetzung mit der sowjetischen Geschichte und die Rezeption russischer Literatur nahm einen wichtigen Platz im Schaffen Heiner Müllers ein. Er übersetzte zusammen mit Ginka Tscholakowa Texte von Suchowo-Kobylin, Tschechow, Pogodin, Schwarz, Rosow und Majakowski, und er wählte sich Stoffe, die er in eigenen Stücken neu formte: Fjodor Gladkows „Zement“, „Wolokolamsker Chaussee“ von Alexander Bek und Scholochows „Der stille Don“ (Mauser). Er unterwarf die Motive und Sujets rigoros seinem eigenen dramaturgischen Konzept. Theater definierte er als einen „Prozeß“, als ein „Laboratorium sozialer Phantasien“, ohne jeglichen Naturalismus auf der Bühne, das die Strukturen offen legen muß, um die Geschichte selbst zu erkennen.

Seine Bearbeitung von Gladkows Roman „Zement“ (1925) legte Heiner Müller 1970 vor. Sie entstand in Zusammenarbeit mit Ginka Tscholakowa. 1973 inszenierte Ruth Berghaus die Uraufführung am Berliner Ensemble.

Fjodor Gladkows Entscheidung, die Spannung zwischen Legende und Konstruktion modellhafter Situationen menschlichen Verhaltens nicht auszugleichen, erlaubte ihm, tägliche Kleinarbeit als historische Unternehmung größten Ausmaßes zu fassen. So sprengte Gladkow den Rahmen einer linearen, einschichtigen Interpretation des Textes.

Heiner Müller entwickelte diesen Konfront in radikaler Weise weiter. Er trennte die Elemente, die Gladkow noch zusammengebracht hatte, um die Härte und Zähigkeit menschlicher Kämpfe schärfer zu fassen. Die sich zeigenden Verhältnisse zwischen den Menschen konfrontierte er mit Bildern der Kämpfe aus der Mythologie. Achill, Hektor, Herakles, Prometheus und Medea erinnern an Erfahrungen, denen die neuen ähnlich und fremd sind. Das geschieht auf zweierlei Weise: indem einer Szene ein mythologischer Titel gegeben wird, und indem zwischen die Szenen Intermedien gefügt werden, die mythische Konstellationen durchspielen. Heiner Müller notierte nach der Premiere von „Zement“ 1973 im Berliner Ensemble: “Das Stück handelt nicht von Milieu, sondern von Revolution, es geht nicht auf Ethnologie, sondern auf (sozialistische) Integration aus, die Russische Revolution hat nicht nur Noworossisk, sondern die Welt verändert, Dekor und Kostüm sollten nicht Milieu zeigen, sondern den Entwurf der Welt, in der wir leben.“

Sich 10 Jahre nach der „Wende“ in Europa mit „Zement“ zu beschäftigen, bedeutet eine Herausforderung. Wie kann der Stoff heute gefaßt werden? Wie stehen sich Geschichte und Mythos jetzt gegenüber? Heiner Müller setzte „die Katastrophen voraus, an denen die Menschheit arbeitet“. Die russische Revolution wird zu einem Versuch in einer historischen Kette von Versuchen. Begibt man sich in den Steinbruch der Geschichte, so befindet man sich mitten im Leben


Regisseure

THOMAS HEISE, Autor und Regisseur, Berlin
Arbeit bei der DEFA, Babelsberg; von 1990 bis 1997 Regisseur am Berliner Ensemble. Inszenierte „Zement“ in einer Fabrikhalle als Produktion des BE.

MICHAEL MARMARINOS, Regisseur und Schauspieler
Künstlerischer Direktor von “ THESEUM a theatre for the arts“ und des Theaterensembles diplous Eros, Athen; Arbeit mit Texten von Heiner Müller.

B. K. TRAGELEHN, Regisseur und Autor, Berlin
Seit den 50er Jahren mit Heiner Müller verbunden.

ANGELIKA WALLER, Professorin an der Hochschule für Schauspielkunst „Ernst Busch“, Berlin
Spielte in der Uraufführung von „Zement“ unter Ruth Berghaus.

Dramaturgen
MARCEL OTTEN
WOLFGANG STORCH
GINKA TSCHOLAKOWA

Theater- und Literaturwissenschaftler
HANS-THIES LEHMANN
THOMAS MARTIN
JEAN-PIERRE MOREL
MALGORZATA SUGIERA
ELENI VAROPOULOU

Archiv
JULIA BERNHARD

Produktionsleitung
ENRICO STOLZENBURG

Konzept und Gesamtleitung
KLAUDIA RUSCHKOWSKI
B.K. TRAGELEHN

© Margit Broich[1][2][4] Ute Schendel[3]

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